Thesen von Prof. Dr. Peter Löcherbach
These 1
Personenzentrierung erweitert das naturwissenschaftliche Weltbild durch die Ergebnisse der System- und Selbstorganisationstheorie. Der Mensch, der Leistungsnehmer, wird als bio-psycho-soziales, selbstreflexives und nicht als triviales, berechenbares "System" angesehen. Die Idealvorstellungen von Steuerbarkeit, Machbarkeit und Vorhersehbarkeit müssen danach auch unter dem Aspekt der Selbstorganisation betrachtet werden.
These 2
Das bio-psycho-soziale Theoriemodell weist daher auf den fördernden und hemmenden Einfluss der personen- und umweltbezogenen Kontextfaktoren hin, die den Rehabilitationsverlauf in vielfältiger Weise beeinflussen. Die selbstbestimmte Teilhabe des Versicherten wird gefordert.
These 3
Rehabilitationsleistungen müssen den individuellen Unterschieden gerecht werden. Vielfalt bildet sich ab in Prozessen (von standardisiert bis unvorhersehbar), Strukturen (selektive bis kooperative Leistungserbringung) und Partizipation (Zustimmung bis geteilte Verantwortung).
These 4
Die individuelle Bedarfslage ist der Ausgangspunkt für die Planung von Rehabilitationsleistungen: Je komplexer die Situation (Person- und Umweltfaktoren), desto notwendiger ist eine Personenzentrierung. Dies hat zur Folge, dass der Prozess der Leistungserbringung individualisiert, kooperativ und mit geteilter Verantwortung geplant, abgestimmt und durchgeführt werden muss – Standardisierung muss diese Vielfalt an Möglichkeiten zulassen.
These 5
Nicht Bedürfnisse oder (unendliche) Wünsche des Versicherten sind das Problem, sondern ob es gelingt, auf die individuelle Bedarfslage eine passende Lösung zu finden. Standards können dabei helfen, die Besonderheiten (Erfordernisse) des Einzelfalles fachlich zu bewerten und eine individuelle, personenzentrierte Vorgehensweise zu begründen. Wenn Standards fehlen, ist die Auswahl von Reha-Maßnahmen fachlich unzureichend belegt und erscheint im schlimmsten Fall als willkürlich.
These 6
Standards (z. B. RTS) sind notwendig, um Vorgehensweisen (Inhalte und Ausgestaltung) durch evidenzbasierte Ergebnisse zu untermauern. Die Vielfalt der Fälle/Fallkonstellationen kann aber nicht hinreichend abgebildet werden bzw. es muss einen Spielraum für individuelle Besonderheiten gelassen werden.
These 7
Durch ein abgestuftes Vorgehen kann auf die unterschiedlichen Fallkonstellationen (Person- und Umweltfaktoren) im Prozess der Leistungserbringung reagiert werden.
These 8
Partizipation am Leistungsgeschehen und Verantwortungsteilung verlangen ein gelingendes Zusammenspiel von Leistungsnehmer und Leistungserbringer. Der Leistungsnehmer ist nicht einfach passiver Empfänger von Leistungen, er wird zum Ko-Produzenten.
These 9
Der höhere Aufwand für eine personenzentrierte Vorgehensweise ist gerechtfertigt, wenn es dadurch gelingt, den Leistungsnehmer aktiv einzubinden und die Zusammenarbeit mit allen erforderlichen Akteuren sicherzustellen.
These 10
Personenzentrierung und Standardisierung können, müssen sich aber nicht widersprechen.
These 11
Personenzentrierung sollte in Standards verankert werden, damit nicht nur die gesamte Ausgangssituation in Planung, Durchführung und Monitoring des Verlaufes Berücksichtigung finden, sondern auch Partizipation, Wertsetzung, Kreativität und Sinnhaftigkeit des Inanspruchnehmers.
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