Quelle: Bundesregierung/Denzel
Yasmin Fahimi, Beamtete Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Hinweis: Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Lubinski,
sehr geehrter Herr Reimann,
sehr geehrte Frau Roßbach,
sehr geehrte Frau Gross,
sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Sie arbeiten Tag für Tag dafür, dass jeder nach einer schweren Krankheit so gut und so schnell wie möglich wieder in seinen Beruf und sein gewohntes Leben zurückkehren kann.
Das ist eine wichtige Arbeit für die soziale Sicherheit und den Zusammenhalt in unserem Land. Für das Vertrauen, nicht allein gelassen zu sein, wenn es hart auf hart kommt. Denn die Absicherung der Lebensrisiken ist zugleich die Geburtsstunde unserer Sozialversicherung. Ich freue mich, Ihnen heute dafür einmal von Herzen Danke sagen zu können!
Sie leisten tolle Arbeit. Arbeit, die man aus Überzeugung machen muss. Die Zahlen belegen es: Eine Million stationäre und ambulante Rehabilitations-Maßnahmen pro Jahr sind ein Aushängeschild unseres Sozialstaates, etwas, das in Qualität und Umfang einmalig ist.
Die Menschen können sich darauf verlassen und auch die Wirtschaft. Denn die Rehabilitation trägt maßgeblich zur Fachkräftesicherung in Deutschland bei. Die berufliche Wiedereingliederung sichert das Wissen und die Erfahrung tausender von Fachkräften. Ja, die Rehabilitation ist ein Erfolgsmodell.
Meine Damen und Herren,
ganz in der Nähe von Berlin, in Beelitz-Heilstätten, steht eine der ersten Reha-Kliniken der Rentenversicherung. Beelitz war eine große Tuberkulose-Heilanstalt – jetzt ist sie eine Touristenattraktion. Denn heute braucht sie niemand mehr. Die Tuberkulose als Volkskrankheit ist seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts verschwunden.
Aber wodurch ist die Tuberkulose verschwunden? Vor allem durch präventive Maßnahmen. Bessere medizinische Untersuchungen, bessere Ernährung und bessere Wohnungen haben das möglich gemacht.
Prävention – Das ist eine Erfolgsgeschichte unseres Sozialstaates und seiner Sozialversicherungen.
Meine Damen und Herren,
Prävention vor Rehabilitation. Das war damals und das ist auch heute der wichtigste Grundsatz für alle Sozialversicherungen.
Heute befinden wir uns mitten in einem demografischen Veränderungsprozess, den wir bei all unseren Entscheidungen und Maßnahmen berücksichtigen müssen: Wir werden älter, wir arbeiten länger und wir wollen und müssen das auch schaffen können.
Wenn wir unseren Sozialstaat trotz der demografischen Entwicklung bezahlbar und leistungsfähig halten wollen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, dann müssen wir alle Potenziale nutzen, damit die Erwerbstätigen auch erwerbsfähig bleiben können.
Flexi-Rente
Wir sind dabei schon auf einem guten Weg. Das tatsächliche Eintrittsalter für die Altersrente steigt. Die Erwerbstätigen-Quote der 60-64-Jährigen hat sich rasant entwickelt: Von 28 Prozent 2005 auf 52 Prozent 2014 (Quelle Mikrozensus). Das heißt, mehr als die Hälfte aller Menschen jenseits der 60 sind heute erwerbstätig. Wann soll das Rentenalter beginnen? Eine pauschalierte Antwort auf die Frage der Altersgrenze für den Renteneintritt ist von gestern. Man kann die Altersgrenze nicht beliebig nach oben ziehen. Ein flexibler Übergang ist heute die Antwort: Wer will, soll zukünftig länger arbeiten können. Wer nicht mehr kann, darf nicht länger arbeiten müssen. Mit der Flexi-Rente richtet sich das Arbeitsende nach der Biografie und Belastungsfähigkeit des Einzelnen.
Wie sehr die Arbeit Kraft beansprucht, das ist ganz unterschiedlich. Manche können und wollen länger arbeiten. Aber ganz viele eben nicht. Wir müssen daher gleitende Übergänge zwischen Arbeit und Rente erleichtern, so wie jetzt mit der Flexi-Rente. Weiterarbeiten über die Regelarbeitsgrenze hinaus wird sich deutlich mehr lohnen und das Teilrentenrecht wird deutlich vereinfacht. Das bringt eine Perspektive für alle.
Die Rehabilitation muss Veränderungen aufnehmen, wenn sie weiter erfolgreich sein will. Wir, die Bundesregierung und die Träger der Sozialversicherung, müssen dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen die Reha-Anpassungen möglich machen: Anpassung an die Bedürfnisse älterer Beschäftigter, die Veränderung der Krankheitsbilder und die Veränderungen der Arbeitswelt.
Und wir müssen die Reha öffnen für die Gruppen, die bisher kaum Zugang zu Reha-Leistungen haben: für Menschen mit Migrationshintergrund, für Empfänger von Arbeitslosengeld II und auch für Menschen, die ihre Angehörigen pflegen. Vor allem aber müssen wir viel früher anfangen und stärker auf die Prävention setzten.
Pflichtleistung Prävention Nachsorge, Kinderreha
Daher gestalten wir die Leistungen zur Prävention im Flexi-Renten-Gesetz als Pflichtleistungen aus. Auch die Nachsorge wird Pflichtleistung, um den Erfolg der Rehabilitation nachhaltig zu sichern. Kinder und Jugendliche erhalten einen Rechtsanspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, der auch ambulante Leistungen umfasst. Und wir regeln verbindlich: Was wird geleistet? Und was sind die Voraussetzungen, um diese Leistungen auch in Anspruch zu nehmen? Auch die finanzielle Begrenzung fällt weg. Damit schaffen wir nicht nur Sicherheit für die Kinder und ihre Eltern, wir schaffen auch Vertrauen in den Sozialstaat – er ist da, wenn man ihn am meisten braucht. Gleichzeitig tun wir auch etwas für den Bestand der Einrichtungen, die für die Kinder und Jugendlichen hervorragende Leistungen erbringen. Morgen wird das Flexi-Renten-Gesetz im Bundestag abschließend beraten.
Meine Damen und Herren,
das Präventionsgesetz ist nun ein gutes Jahr in Kraft. Da können wir schon ein erstes Resümee ziehen: Die Nationale Präventionskonferenz ist konstituiert, erste Bundes-Rahmenempfehlungen verabschiedet. Ich freue mich sehr, dass die Rentenversicherung sehr engagiert bei der Umsetzung der Strategie in der "Lebenswelt Betrieb" dabei ist. Jetzt kommt es darauf an, die Präventionsleistungen flächendeckend auszubauen und in allen Unternehmen und Betrieben bekannt zu machen.
Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung
Und auch da ist die Deutsche Rentenversicherung Vorreiter: Mit Ihrem Firmenservice stellen Sie seit 2015 Arbeitgebern eine Beratung und Information "aus einer Hand" zur Verfügung. Die Berater gehen in die Betriebe hinein. Da, wo ihr Wissen gebraucht wird.
Gleichzeitig schaffen die Firmenberater bei Bedarf schnell und unbürokratisch den Kontakt zu anderen Sozialversicherungsträgern, etwa den Krankenkassen oder den Berufsgenossenschaften. Das ist vor allem für Kleinere und Mittlere Unternehmen (KMU) wichtig, die wenig Ressourcen haben, sich um Prävention zu kümmern, bei denen aber etwa 80% der Versicherten der Rentenversicherung beschäftigt sind.
Ganz wichtig finde ich, dass der Firmenservice auch für die Betriebs- und Personalräte und auch für die Schwerbehindertenvertretungen da ist. Die Erfahrung mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) zeigt, dass meist die Vertretungen der Beschäftigten Triebfeder für den Ausbau der Gesundheitsvorsorge im Unternehmen sind.
Bundesteilhabegesetz
Meine Damen und Herren,
wichtige Veränderungen für Sie wird auch das Bundesteilhabegesetz bringen. Auch dort steht die Verpflichtung zur Prävention vorne an. Das Gesetz ist gerade im parlamentarischen Verfahren. Und es wird auch öffentlich viel diskutiert. Meist steht in der Diskussion die Eingliederungshilfe im Mittelpunkt. Aber die Neuregelungen, die die medizinische und berufliche Rehabilitation betreffen, sind ebenso wesentlich und zukunftsweisend. Es freut mich aber auch, dass sie breit akzeptiert sind, denn es sind klare Verbesserungen.
Teilhabeplanverfahren
Meine Damen und Herren,
ich stehe zu dem gegliederten System der Rehabilitation. Es darf allerdings nicht dazu führen, dass den Menschen Nachteile entstehen.
Vor 15 Jahren haben wir mit dem SGB IX den ersten Schritt zu einer verbesserten Koordination der Reha-Träger getan. Jetzt – mit dem Bundesteilhabegesetz – passieren wir wieder eine wichtige Wegmarke: Wir haben das bestehende Teilhabeplanverfahren weiterentwickelt. Mit dem BTHG gilt: Ein Antrag, ein verantwortlicher Träger. Im neuen Teilhabeverfahren werden alle Leistungen berücksichtigt, die der Antragstellende für die Teilhabe braucht – auch die Leistungen anderer Träger. Das ist das einfache Prinzip.
Ich weiß, dass das neue System hohe fachliche Herausforderungen an Sie stellt. Klar ist, Sie werden Zeit und Geld investieren müssen, um Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das neue Verfahren fit zu machen und zu qualifizieren. Ich bin mir aber sicher, dass es sich lohnt: "Alles wie aus einer Hand" – das ist Politik für die Menschen und dafür stehen Bundesministerin Andrea Nahles und ich auch ein.
Modellvorhaben
Mit den Modellvorhaben, die ab 2018 für fünf Jahre bei der Rentenversicherung mit je 100 Millionen Euro jährlich gefördert werden können, wollen wir vor allem eins erreichen: Prävention und Rehabilitation für Menschen im SGB II- Leistungsbezug leichter zugänglich machen. Die bisherigen Regelungen sind kompliziert. Es fallen zu viele durchs Raster und landen zu früh in der Erwerbsminderungsrente. Unser gemeinsames Ziel ist es, das zu verhindern. Wir wollen mit den Modellvorhaben Freiräume schaffen, um Neues auszuprobieren.
Ich weiß, dass die DRV und das BMAS dazu bereits in guten Gesprächen sind. Nutzen Sie diese Chance. Seien Sie innovativ und erproben Sie neue Möglichkeiten. So wie beim Firmenservice, der ja auch das Ergebnis eines Modellprojektes hier in Berlin-Brandenburg ist: Was gut und erfolgreich ist, kann dann dauerhaft übernommen werden.
Rente
Meine Damen und Herren,
Prävention und Rehabilitation können nie ganz verhindern, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Gerade wer erwerbsgemindert vorzeitig auf Rente angewiesen ist, gerät viel zu oft in eine prekäre Lage. Das ist ein Punkt, den wir mit dem Gesamtkonzept zur Alterssicherung im November angehen wollen. Wer ein Leben lang gearbeitet und seinen Beitrag zu unserem Wohlstand und zu unserer Gesellschaft geleistet hat, der muss sich am Ende seines Arbeitslebens auf seine Absicherung für das Alter verlassen können. Das ist das Kernversprechen unseres Sozialstaats. Erste Verbesserungen der EM-Renten haben wir bereits in dieser Legislaturperiode geschaffen. Wir können uns noch mehr vorstellen.
Auch wenn wir das Rentenniveau immer weiter sinken lassen, wird bei vielen das Vertrauen in die Rentenversicherung Schaden nehmen und wir erleben irgendwann einen politischen Aufprall. Deshalb brauchen wir eine Haltelinie: Denn wenn die Generation, die die höchsten Beiträge zahlt, am wenigsten rausbekommt, ist das nicht gerecht. Wir brauchen eine kluge Balance zwischen Haltelinie beim Rentenniveau und Deckel bei den Beitragssätzen. Dann schaffen wir, dass die gesetzliche Rente weiter das stabile Fundament der Alterssicherung bleibt: Für die 36 Millionen aktiven Versicherten in der Rentenversicherung und für die 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner.
Es geht aber um mehr als das Rentenniveau, wenn wir zielgenau die Probleme angehen wollen. Wir brauchen zielgerichtete Lösungen für verschiedene Menschengruppen. Aber darauf sollte jeder auch weiterhin mit weiteren Bausteinen aufbauen. Deswegen wird das Konzept auch Verbesserungen bei der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Altersvorsorge enthalten.
Gleichzeitig muss die Rente auch auf die Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren. Für neue Formen von Selbstständigkeit, die nicht mehr mit den klassischen selbstständigen Berufen zu vergleichen sind. Schätzungsweise rund drei Millionen Selbstständige sind nicht in einem obligatorischen System der Alterssicherung abgesichert. Sie müssen in eigener Verantwortung Vorsorge fürs Alter betreiben. Wir wollen dafür sorgen, dass alle in Deutschland eine verlässliche Alterssicherung haben.
Das Erfolgsmodell Prävention und Rehabilitation und das Erfolgsmodell gesetzliche Rente: Beide müssen sich immer wieder anpassen, an gesellschaftlichen Wandel und an den Wandel in der Arbeitswelt, damit sie gut bleiben. Nur so geben sie den Menschen weiter Sicherheit und festigen das Vertrauen in unseren Sozialstaat.
Meine Damen und Herren,
Sie arbeiten zentral mit daran, Zusammenhalt und Solidarität im Alltag erfahrbar zu machen. Zu zeigen: Wir machen Deutschland zusammen stark! Vielen Dank.