Deutsche Rentenversicherung

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Nachsorge digital - DE-RENA

Dr. Dieter Olbrich, Ärztlicher Direktor des Reha-Zentrums Bad Salzuflen der Deutschen Rentenversicherung Bund / Stefan Schmädeke, Leitender Psychologe der MEDIAN Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim beim Rehabilitations-Forum der Deutschen Rentenversicherung Bund am 30. Oktober 2018

Hinweis: Es gilt das gesprochene Wort.

DE-RENA

Tele-Nachsorge gewinnt neben der bewährten Gruppennachsorge zunehmend an Bedeutung. Bislang liegen jedoch nur wenige Erfahrungen mit Internet- und Smartphone-unterstützten Nachsorgeleistungen in der Routine vor (Lin et al., 2013).
DE-RENA ist die Weiterentwicklung der von unserer Arbeitsgruppe in der MEDIAN Klinik für Psychosomatik durchgeführten Projekte eCoaching und eATROS, in denen eine hohe Akzeptanz sowie die Wirksamkeit für die Smartphone-Nachsorge in randomisierten kontrollierten Studien nachgewiesen werden konnte (Bischoff et al., 2010, 2013, 2014; Schmädeke et al., 2015).
DE-RENA ist ein durch eine Smartphone-App unterstütztes Nachsorgeprogramm für Patienten mit depressiven Störungen, in seiner Anwendung aber durchaus anwendbar bzw. erweiterbar auf andere Störungsbilder in der medizinischen Rehabilitation.
Ziel des Nachsorgeangebots DE-RENA ist es, den Transfer der in der Rehabilitation erlernten Verhaltensstrategien in den Alltag zu unterstützen, Rückfällen vorzubeugen und die Nachhaltigkeit der Therapieerfolge zu steigern.
Zentrales Element der DE-RENA Nachsorge ist die Tagesplanung und -bewertung mittels App unter Berücksichtigung der vom Patienten angestrebten Balance seiner Lebensbereiche. Die Patienten werden in den sechs Monaten der App-Nachsorge telefonisch von einem Therapeuten der Klinik begleitet. Die technische Weiterentwicklung der Vorgängerprojekte hin zu einer Nachsorge-App, die sich Patienten auf ihr eigenes Smartphone laden können, ermöglicht einen kosteneffizienten Einsatz in der Regelversorgung.
Gefördert durch die Deutsche Rentenversicherung Bund untersuchen wir DE-RENA seit Juni 2017 als Modellprojekt in der MEDIAN Klinik für Psychosomatik Bad Dürkheim sowie im Reha-Zentrum Bad Salzuflen hinsichtlich Akzeptanz, Umsetzbarkeit und Wirksamkeit.
Dabei untersuchen wir folgende Fragestellungen:
Lässt sich das Nachsorgeprogramm in die Abläufe unterschiedlicher Reha-Kliniken implementieren?
Besteht ausreichend Akzeptanz auf Seiten der Behandler und der Patienten?
Gelingt es mit DE-RENA, die in der stationären Behandlung erreichten Therapieerfolge zu verstetigen?
Wie ist der zeitliche und finanzielle Aufwand der DE-RENA Nachsorge?

Psychische und somatoforme Beschwerden

Zunächst zu den Hintergründen:
Ein zentrales Problem der Behandlung psychosomatischer Störungen ist die Nachhaltigkeit von Therapieerfolgen.
Wir erreichen in der psychosomatischen Rehabilitation gute Ergebnisse.
Diese im Alltag aufrechtzuerhalten fällt den Patienten jedoch schwer. Innerhalb des ersten Jahres nach der Reha kommt es in der Regel zu einem erneuten Symptomanstieg. Exemplarisch haben wir hier die psychischen und somatoformen Beschwerden des HEALTH-49 dargestellt (Rabung et al., 2007), die den Beschwerdedruck der Patienten erfassen.
Die am Rehabilitationsprozess Beteiligten kennen seit Langem dieses Schnittstellenproblem beim Übergang von Rehabilitationsklinik in den Alltag zu Hause.
Was in der Klinik funktioniert, ist unter Alltagsbedingungen noch lange nicht abrufbar. Die neu erlernten Verhaltensstrategien sind noch nicht automatisiert, gerade unter Stress neigen wir dazu, in alte, automatisierte Verhaltensmuster zu verfallen.
Die unmittelbare ambulante psychotherapeutische Nachbetreuung, die helfen würde die Therapieerfolge zu festigen und zu verstetigen, ist oft nicht gegeben.

Klassische und Medien-gestützte Reha-Nachsorge

Was tun wir, um Patienten beim Schritt in den Alltag zu unterstützen?
Ambulante Rehahabilitationsnachsorge hat sich hier gut etabliert.
Es gibt dafür unterschiedliche Konzepte (IRENA, ERNA, Curriculum Hannover, PRN, etc.) der Nachsorge in der Gruppe oder dem Einzelsetting (Kobelt, et al., 2000).
Die Zahlen der DRV Bund (Rehabilitandenstruktur 2016) zeigen jedoch, dass nur ein geringer Anteil (15%) der Patienten in der psychosomatischen Rehabilitation Nachsorge empfohlen bzw. verordnet bekommt. Gerade einmal 3% nehmen Nachsorge tatsächlich in Anspruch.
Wir erreichen also mit den klassischen Angeboten bei weitem nicht alle Patienten, für die Nachsorge wichtig wäre.

Klassische und Medien-gestützte Reha-Nachsorge (II)

Aber worin liegen die Gründe für die geringe Inanspruchnahme der Nachsorgeangebote?
Die klassische Nachsorge ist für Patienten mit einem hohen Aufwand verbunden. Sie ist zeit- und ortsgebunden.
Der wöchentliche Gruppentermin lässt sich nicht immer mit dem beruflichen Alltag verbinden.
Zudem fehlt die Beziehungskontinuität. Meist findet die Nachsorge nicht in der Klinik statt, in der der Patient zur Reha war, sondern wohnortsnah, so sich denn wohnortsnah ein Nachsorgeanbieter findet.

Klassische und Medien-gestützte Reha-Nachsorge (III)

Neue Medien können hier eine Ergänzung schaffen.
Der Einsatz neuer Medien in der Nachsorge hat sich als wirksam erwiesen.
Es wurden bereits Modelle zur Telefon-Nachsorge, zur Nachsorge mit E-Mails, Chat oder auch SMS-Nachsorge erprobt.
Tele-Nachsorge kann als ergänzendes Angebot zu der bewährten Gruppennachsorge helfen, hier eine Lücke zu schließen.
Gerade der Einsatz von Smartphone-Apps ermöglicht ein hohes Maß an Flexibilität und Individualisierung und unterstützt ein aktives Schnittstellenmanagement.

Anforderungen an Tele-Reha-Nachsorge

Die DRV hat eine neues Rahmenkonzept zur Reha-Nachsorge verabschiedet, das ab Januar 2019 gilt.
Die Nachsorge in der psychosomatischen Rehabilitation wird darin als Regelangebot unter der Bezeichnung Psy-RENA vereinheitlicht.
Das Rahmenkonzept sieht mit der Tele-Nachsorge auch eine neue Form der Rehabilitationsnachsorge vor.
Die Deutsche Rentenversicherung fördert Modellprojekte wie unseres, sie formuliert aber auch Anforderungen an die Tele-Nachsorge.

Anforderungen der DRV an Tele-Reha-Nachsorge

Anforderungen der DRV an die Tele-Nachsorge:
Die Wirksamkeit des Tele-Nachsorgangebots muss in Studien nachweisen sein. Eine Anforderung, der wir in unserem laufenden Projekt aktuell nachkommen, die wir durch unsere Vorgängerprojekte im Grunde aber bereits erfüllt haben.
Die Patienten müssen in der Tele-Nachsorge durch einen Therapeuten begleitet werden. Auch dieser Aspekt ist bei DE-RENA gegeben.
Theoriebasierung, Manualisierung und Instruktion, ausreichende Ausbaustufe und Möglichkeiten zur Individualisierung auf den Patienten sind weitere Voraussetzungen für die Anerkennung eines Tele-Nachsorgekonzepts durch die Rentenversicherung, die wir bei der Umsetzung von DE-RENA berücksichtigt haben.
Die Aspekte Datenschutz und Datensicherheit haben wir sehr ernst genommen. Das Datenschutzkonzept wurde in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Datenschutz der DRV entwickelt. Dessen Umsetzung konnte in einem Überwachungsaudit bestätigt werden.
Auch die Sicherheit der Patienten ist gewährleistet. Der Umgang mit kritischen Situationen und Krisen ist in einem gemeinsam mit dem Patienten verfassten Notfallplan festgelegt, in dem auch die niedergelassenen Behandler des Patienten einbezogen sind. Die DE-RENA App ist zudem als Medizinprodukt zertifiziert, eine Voraussetzung für Apps im therapeutischen Bereich, die jedoch von den meisten anderen Anbietern auf dem Markt nicht erfüllt wird.
Aktualisierungen müssen ebenso möglich sein wie eine barrierefreie Nutzung. Hier hat die Firma Solutec als Anbieter der App im laufenden Modellprojet fortlaufende Anpassungen und Weiterentwicklungen vorgenommen und Rückmeldungen und Wünsche der Nutzer berücksichtigt.
Wir sehen diese Anforderungen für das DE-RENA Nachsorgeprogramm als erfüllt an.

DE-RENA Nachsorgekonzept

Lassen Sie uns das DE-RENA Nachsorgekonzept inhaltlich betrachten:
Mit DE-RENA unterstützen wir die Patienten mit einer Smartphone-App und telefonischen Kontakten beim Schritt in den Alltag.
Das Nachsorgeangebot DE-RENA ist dabei eng verzahnt mit der stationären Behandlung.
Es umfasst die therapeutische und technische Vorbereitung am Ende des Klinikaufenthalts, sowie die Nutzung der Nachsorge-App in der poststationären Phase, begleitet von telefonischen Kontakten mit einem Therapeuten der Klinik als persönlichem Coach.
Mit DE-RENA ergänzen wir die bestehende stationäre Depressionsbehandlung um eine therapeutische Veranstaltung, die am Ende der Behandlung auf den Schritt in den Alltag vorbereitet.
Dort wird mit den Patienten wird besprochen und individuell ausgearbeitet, was für die Aufrechterhaltung der erreichten Therapieerfolge wichtig ist, insbesondere eine Balance der individuellen Lebensbereiche zu finden. Wie viel Raum soll Arbeit, Familie oder auch Sport zukünftig einnehmen? Die Patienten werden zu einer realistischen, ausgewogenen und konkreten Tagesplanung angeleitet und sie werden unterstützt, individuell passende Verhaltensvorsätze zu formulieren. Auch mögliche Hindernisse, die bei der Umsetzung auftreten könnten, werden identifiziert und Strategien entwickelt, um sie zu überwinden. Die Patienten werden in der Schulung auch zu einer kontinuierlichen Prüfung des eigenen Befindens und der Umsetzung der gefassten Pläne und Vorsätze angehalten.
All diese Aspekte werden später in der Arbeit mit der App aufgegriffen.
Therapeutisch orientiert sich diese Patientenschulung an den Erkenntnissen zur Selbststeuerung von Gesundheitsverhalten, wie sie sich aus dem HAPA von Schwarzer (2008) ableiten lassen.
Die Patienten bekommen in der Klinik beide Nachsorgeangebote (Psy-RENA und DE-RENA) vorgestellt.
Sie werden mit der Funktionsweise der App vertraut gemacht und erhalten Gelegenheit die App bereits in der Klinik  für mehrere Tage zu erproben.
Im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung entscheiden die Patienten danach, ob und welches der vorgestellten Nachsorgeangebote sie in Anspruch nehmen möchten.

DE-RENA mit einer Smartphone-App

Wie funktioniert die Nachsorge mit der DE-RENA App?

Lebensbereiche

Bereits in der Klinik und angeleitet von ihrem Nachsorge-Therapeuten legen die Patienten ihre Lebensbereiche fest, die sie nach der Entlassung in ihrem Alltag berücksichtigen und in Balance halten wollen.
Diesen Lebensbereichen können sie Aktivitäten zuordnen, die sie umsetzten möchten und auch Vorsätze die sie im einzelnen Lebensbereich verfolgen möchten.
Sie können auch „Stolpersteine“ antizipieren, die der Umsetzung im Wege stehen könnten und Lösungsstrategien zur Überwindung dieser Hindernisse hinterlegen.

Musterwoche

Im zweiten Schritt planen die Patienten mit der Kalenderfunktion der App eine Musterwoche.
Sie legen dabei fest, wie sie ihre Lebensbereiche im Alltag nach der Klinik verteilen möchten.
Dieser Schritt erfolgt ebenfalls noch in der Klinik und fördert die Eigeninitiative und Selbstverantwortung, bzw. die Selbststeuerungskompetenz der Patienten.

Rückmeldung Balance Lebensbereiche

Die Patienten bekommen dabei auch eine Rückmeldung über die Balance ihrer Lebensbereiche in der Musterwoche.
Welcher Lebensbereich nimmt in der Planung den größten Stellenwert ein?
Welcher kommt eventuell zu kurz? Diese Feedback können sie nutzen, um Anpassungen in ihrer Planung und Verteilung vorzunehmen.

Tagesplanung mit Kalenderfunktion

Die tägliche Planung mit der Kalenderfunktion der App funktioniert dann genau wie beim Anlegen der Musterwoche, indem die Patienten Zeitfenster für die einzelnen Lebensbereiche festlegen. Also etwas anders als in normalen Kalender-Apps, in der ich immer nur einzelne Termine verplanen kann.
Die Patienten können bei der Tagesplanung ihre Planung aus der Musterwoche übernehmen, diese auch anpassen oder den Tag ganz frei planen.
Sie können den einzelnen Zeitfenstern im Tag, die ja zunächst einmal nur sagen, welcher Lebensbereich in dieser Zeit ansteht, dann Aktivitäten zuweisen, die sie umsetzen wollen.
Auch Vorsätze und Stolpersteine, die Sie dabei im Auge behalten wollen, können Sie zuordnen.

Tagesbewertung

Rückblickend können die Patienten ihren Tagesplan im Detail bewerten:
Ihr Befinden, auch in den einzelnen Lebensbereichen, die Umsetzung ihrer Vorsätze und die Bewältigung möglicher Hindernisse.
Sie erhalten dabei eine unmittelbare und fortlaufende Rückmeldung zur Balance ihrer Lebensbereiche und ihren Bewertungen.
Dies fördert die Selbstreflexion.

Depressions-Monitoring

Alle 14 Tage füllen die Patienten über die App einen Depressionsfragebogen aus.
Der Verlauf der bisherigen Werte wird den Patienten rückgemeldet.
Verläufe können den Patienten auch für die Bewertungen dargestellt werden:
Wie hat sich das Tagesbefinden entwickelt?
Wie hat sich das Befinden in einzelnen Lebensbereichen gemacht?
Wie komme ich mit der Umsetzung meiner Vorsätze voran? 
Wie ist die Balance meiner Lebensbereiche?
Die Patienten bekommen also Rückmeldungen darüber, wo sie gerade stehen, sie werden für Fortschritte verstärkt und auf Schwierigkeiten hingewiesen.
Sie behalten sich selbst und ihr Verhalten im Blick.

Dashboard

Aber auch der Coach in der Klinik behält seine Patienten im Blick.
Er bekommt die Werte und Verläufe seiner Patienten in seiner Desktop-Anwendung angezeigt.
Und zwar in seinem „Cockpit“ am PC.
Hier sieht er alle seine Patienten im Überblick.
Die farbliche Hinterlegung (Ampelfarben) weist ihn auf auffällige Werte hin, z.B. auf erhöhte Depressionswerte im letzten Fragebogen, oder auch darauf, dass ein Patient längere Zeit keine Tagesplanung oder -bewertung vorgenommen hat.
Er kann so gezielt nähere Informationen zu seinen Patienten aufrufen.

Überblick Patient

Er sieht dabei, wo der jeweilige Patient zeitlich in der Nachsorge gerade steht.
Er bekommt Basisdaten zum Patienten angezeigt. Im rechten Bereich sieht er den Verlauf der Depressivität.

Überblick Patient (II)

Er kann Hintergründe zu den Diagnosen und Besonderheiten aufrufen, links oben zu sehen. Er bekommt die Balance der Lebensbereiche des Patienten angezeigt (rechts oben).
Und er kann die Verläufe der Bewertungen des Nachsorgepatienten einsehen: sein Wohlbefinden und seine Zufriedenheit mit der Balance der Lebensbereiche.

Telefonischer Kontakt und Dokumentation

In der Nachsorgephase sind mehrere telefonische Kontakte mit dem Coach vorgesehen, in der Regel monatlich.
Zudem kann der Patient bei Bedarf Kontakt mit dem Coach aufnehmen und einen zusätzlichen Telefontermin vereinbaren.
Umgekehrt kann der Coach, bei auffälligen Verläufen, den Patienten kontaktieren und seine Unterstützung anbieten. Und das mit dem Blick auf die Eingaben der Patienten und die Verläufe, die ein gezieltes Coaching ermöglichen.
Im Cockpit hat der Coach auch die Möglichkeit diese telefonischen Kontakte zu dokumentieren, Notizen zu hinterlegen, um so den Faden im nächsten Gespräch wieder aufzunehmen.
Die Rolle des Coachs in der Klinik:
Inhaltlich begrenzt sich das Coaching auf die Umsetzung der in der stationären Behandlung erarbeiteten antidepressiven Verhaltensstrategien in den Alltag.
Die Rolle und Zuständigkeit des betreuenden Coachs in der Klinik sind klar gefasst, mit den Patienten besprochen und in der schriftlichen Patienteninformation ausgeführt, die Grundlage der Einverständniserklärung zur Teilnahme an DE-RENA ist.
Umgang mit kritischen Verläufen und Krisen (Notfallvereinbarung):
Bei auffälligen Verschlechterungen der wöchentlichen Depressionswerte nimmt der Coach initiativ telefonisch Kontakt mit den Patientinnen und Patienten auf. Zielsetzung dieser Kontaktaufnahme ist es, sie bei der Überwindung ihrer Symptomverschlechterung zu unterstützen. Auch in diesem Fall sind die Grenzen des telefonischen Coaching-Angebots bereits vor Beginn von DE-RENA klar festgelegt und den Patienten vermittelt: Das telefonische Coaching ersetzt nicht den persönlichen (face-to-face) Kontakt zu den ambulanten Behandlern! Diese sind auch während der Nachsorgemaßnahme erster Ansprechpartner für die Patienten, insbesondere im Krisenfall.
Um die Patientinnen und Patienten im Bedarfsfall bei der Kontaktaufnahme zu unterstützen werden die zuständigen ambulanten Behandler (Psychotherapeut, Nervenarzt oder auch Hausarzt) vor Beginn der Nachsorge erfragt. Gemeinsam mit den Patienten wird ein Notfallplan erstellt, in dem festgehalten wird, an welche Stellen und an welchen Behandler Zuhause sie sich im Falle einer Krise wenden können. Eine Einverständniserklärung, die dem Coach im Krisenfall die Kontaktaufnahme mit den ambulanten Behandlern gestattet, ist Voraussetzung für die Teilnahme an DE-RENA.

Inanspruchnahme

Welche Erfahrungen haben wir seit Juli vergangenen Jahres im Projekt gesammelt?
Zunächst einmal zur Frage, wie viele Patienten wir mit unserem Nachsorgeangebot erreicht haben:
In den 14 Monaten, in denen wir für DE-RENA rekrutiert haben, also von Juli 2017 bis September 2018, wurden in beiden Kliniken 4106 Patienten stationär oder ganztägig ambulant behandelt.
1070 Patienten nahmen an der Schulung I teil, wurden dort auf die Zeit nach der Reha vorbereitet und mit dem bestehenden Angebot der Gruppennachsorge sowie der App-Nachsorge vertraut gemacht.
204 der Teilnehmer befassten sich in der Schulung II vertieft mit DE-RENA und bekamen die Funktionsweise der App im Detail erläutert.
168 von ihnen haben die App heruntergeladen und noch in der Klinik getestet.
Zur Teilnahme an DE-RENA haben sich am Ende der Reha 122 Patienten entschieden, also 3% aller Rehabilidanden oder beziehungsweise 11% derer, die wir mit der Schulung I als Zielgruppe für Nachsorge angesprochen haben.
Nachsorge ist ja an Bedingungen geknüpft (z.B. ein Restleistungsvermögen), zudem hatten wir mit DE-RENA ja ausschließlich Patienten mit depressiven Störungen im Blick.

Beschreibung DE-RENA Teilnehmer

Schauen wir uns die soziodemographischen Daten unserer Teilnehmer an:
Es handelt sich im Groben um die durchschnittliche Rehabilitandin bzw. den durchschnittlichen Rehabilitanden.
Wir erreichen mit DE-RENA also nicht ausschließlich junge, technikaffine Männer der digitalen Generation.
Der etwas niedrigere Altersdurchschnitt in Bad Dürkheim erklärt sich durch unseren Schwerpunkt für junge Erwachsene, der Altersdurchschnitt in der Klinik liegt mit 47 Jahren generell etwas niedriger als sonst in psychosomatischen Reha-Kliniken.
Die  Teilnehmer gaben an, dass Sie ihr Smartphone im Durchschnitt 100 Minuten nutzen, und zwar zum Telefonieren, Schreiben von Nachrichten und mit der Nutzung von Apps.
Das klingt viel, ist aber durchaus mit der Gesamtbevölkerung vergleichbar. Die jüngsten Studien zeigen, dass 40% der Smartphone-Besitzer ihr Mobilfunkgerät am Tag mehr als eine Stunde nutzen. Jeder Neunte benutzt das Gerät mehr als drei Stunden täglich.

Akzeptanz Behandler und Patienten

Natürlich interessiert uns die Akzeptanz für das App-gestützte Nachsorgeangebot sowohl bei den Patienten, als auch bei den Bezugstherapeuten in der Klinik, die den Rehabilitanden schließlich den Weg in die Nachsorge bahnen.
Wir haben das DE-RENA Nachsorgekonzept den Therapeuten in beiden Kliniken vorgestellt und ihre Einschätzung erfragt.
Beide Nachsorgeformen (also die bewährte Gruppennachsorge als auch DE-RENA) werden als hilfreich eingestuft. Eine 2-3 bzw. eine 3 im Schulnotensystem, also befriedigend.
Die Erhebung erfolgte noch vor der eigentlichen Implementierung der DE-RENA Nachsorge in den Kliniken. Wir würden davon ausgehen, dass die Noten inzwischen noch etwas besser ausfallen dürften, insbesondere bei den Therapeuten, deren Patienten Erfahrungen mit der App-Nachsorge gesammelt haben.Auf Seiten der Patienten wurde die Benutzerfreundlichkeit der App gut bewertet (eine 2-). Die App-Funktionen wurden als persönlich bedeutsam eingeschätzt (mit einer 2), und die Wahrscheinlichkeit für die Nutzung im Alltag wurde als hoch eingestuft (auch eine 2-). DE-RENA wird als gut integrierbar in den Alltag und einfach bedienbar bewertet (2,4 und 2,3).

Prä-Post-Vergleich Depressivität

Wie sieht es mit der Wirksamkeit der Nachsorge aus?
Unser Anspruch ist es, die in der stationären bzw. ganztägig ambulanten Rehabilitation erreichten Therapieerfolge zu stabilisieren.
Sie sehen, wir erreichen in der Reha Therapieerfolge. Dargestellt ist der Verlauf der Depressivität, erhoben mit dem PHQ-9. Die Depressivität sinkt vom Zeitpunkt der Aufnahme zum Tag der Entlassung deutlich ab. Eine signifikante Verbesserung.
Die aktuellen Auswertungen zeigen, dass es uns mit der App-Nachsorge gelingt, dem erneuten Symptomanstieg entgegen zu wirken. Uns liegen bislang Werte von 45 Patienten vor, die DE-RENA bereits abgeschlossen haben. Im Mittelwert gab es, vom Zeitpunkt der Entlassung bis zum Ende der Nachsorge, sogar noch eine geringe, wenn auch nicht signifikante Verbesserung der Depressionswerte.
Der Prä-Post Vergleich zeigt, die Erfolge in der Reha konnten in der Nachsorge aufrechterhalten bzw. stabilisiert werden.
Dies zeigt sich auch, wenn man die 14-tägigen Depressionswerte aus der App analysiert: die längsschnittliche Mehrebenenanalyse dieser Messwiederholungswerte zeigt, dass die depressive Symptomatik über den Verlauf der Nachsorge stabil auf dem Niveau der Klinikentlassung bleibt.

Prä-Post-Vergleich Selbstregulation

Ein weiterer Aspekt, den wir uns angesehen haben ist die Fähigkeit zur Selbstregulation, gemessen mit dem SSI-K3 von Julius Kuhl. Hier finden wir eine höchstsignifikante Verbesserung von Beginn der DE-RENA Nachsorge zu deren Abschluss nach 6 Monaten.
Die Patienten verbessern ihre Selbststeuerungskompetenzen, also genau das, was wir mit unserem Selbstmanagementansatz erreichen möchten.
Soviel zu den vorläufigen Outcome-Ergebnissen.

Umsetzbarkeit

In dem Modellprojekt ging es aber auch um die Frage der Umsetzbarkeit in der Regelversorgung.
Die Implementierung in beiden Kliniken hat gut funktioniert. Aber welcher Aufwand ist in der Regelversorgung zu erwarten? Welche Kosten müssen kalkuliert werden?
Wie sie sehen können, haben wir die Arbeitsschritte und den damit verbundenen Zeitaufwand für den Coach in der Klinik sehr detailliert erfasst.
Zum Teil sind das Arbeitsschritte, die wir nicht der Nachsorge zurechnen dürfen. Die Schulungen sind therapeutische Leistungen der stationären Behandlung und können als KTL verbucht werden. Zum Teil sind es Abläufe, die uns auch in der klassischen Gruppennachsorge begegnen (Einleitung der Nachsorge, Abschlussdokumentation).

Zeitaufwand

Betrachten wir den zeitlichen Aufwand, der mit der eigentlichen therapeutischen Betreuung der Patienten in der Nachsorge verbunden ist, so zeigt sich, dass der Aufwand für den Coach, also das tägliche Prüfen der eingehenden Daten und Verläufe seiner Patienten im Cockpit und die telefonischen Kontakte, vergleichbar ist mit dem Zeitaufwand, den wir in der klassischen Gruppennachsorge haben.
App-Nachsorge ist also kein Sparmodell, es erfordert Zeit und die Vergütung sollte in Anlehnung an die bewährten Gruppenkonzepte erfolgen, so wie es im Rahmenkonzept zur Nachsorge ja auch vorgeschlagen wird!

Fazit

Welches Fazit ziehen wir aktuell aus dem Projekt?
Wir konnten zeigen,
dass Nachsorge mit einer Smartphone-App funktioniert,
dass sich das Konzept in Kliniken implementieren lässt,
dass eine ausreichende Akzeptanz für diesen Ansatz besteht und
dass es wirksam ist.

DE-RENA ist also eine Alternative zur Gruppennachsorge.
DE-RENA ist gut in die Rehabilitation integriert.
DE-RENA ist individuell anpassbar und bietet Flexibilität.
DE-RENA fördert die Vernetzung.
DE-RENA fördert das Commitment für und die Inanspruchnahme von Reha-Nachsorge.

Danke

Abschließend möchten wir uns bedanken. Ein Projekt wie DE-RENA funktioniert nicht ohne Partner.
Wir danken der Deutschen Rentenversicherung Bund, die die Begleitforschung gefördert hat und die Nachsorgeleistung finanziert hat.
Dank auch an die DRV Rheinland-Pfalz, die sich dem Modellprojekt angeschlossen hat.
Vielen Dank an beide Kliniken, die DE-RENA in ihre Konzepte integriert haben.
Und besondere Dank an die Entwickler der Firma BINACON, die ihre App auf unsere Anforderungen angepasst und stetig weiterentwickelt haben.
Und nicht zuletzt möchten wir Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit danken und freuen uns auf Fragen und Diskussion.

Literatur

Literatur
Bischoff, C., Schmädeke, S., Dreher, C., Adam, M., Bencetic, D., & Limbacher, K. (2010). Akzeptanz von elektronischem Coaching in der psychosomatischen Rehabilitation. Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin, 31, 274-287.
Bischoff, C., Schmädeke, S., Adam, M., Dreher, C., Bencetic, D., & Limbacher, K. (2013). Wirksamkeit von Handheld-gestütztem Selbstmanagement (E-Coaching) in der Rehabilitationsnachsorge. Verhaltenstherapie, 23(4), 243-251.
Bischoff, C., Schmädeke, S., & Fuchsloch, L. (2014). Akzeptanz Smartphone-gestützter Rehabilitationsnachsorge bei depressiven Patienten. Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin, 35, 316.
Kobelt, A., Schmid-Ott, G., Künsebeck, H. W., Grosch, E., Hentschel, J., Malewski, P., & Lamprecht, F. (2000). Bedingungen erfolgreicher ambulanter Nachsorge nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 52, 16-23.
Kuhl, J., & Fuhrmann, A. (2003). Selbststeuerungs-Inventar: SSI-K3 (Kurzversion), unveröffentlichtes Manuskript. Universität Osnabrück.
Lin, J., Ebert, D. D., Lehr, D., Berking, M., & Baumeister, H. (2013). Internetbasierte kognitiv-behaviorale Behandlungsansätze: State of the Art und Einsatzmöglichkeiten in der Rehabilitation. Die Rehabilitation, 52(03), 155-163.
Löwe, B., Unützer, J., Callahan, C., Perkins, A., & Kroenke, K. (2004). Monitoring depression outcomes with the PHQ-9. Responsiveness and reliability. Med. Care, 42, 1194-1201.
Rabung, S., Harfst, T., Koch, U., Wittchen, H. U., & Schulz, H. (2007). „Hamburger Module zur Erfassung allgemeiner Aspekte psychosozialer Gesundheit für die therapeutische Praxis (HEALTH)”-psychometrische Überprüfung eines neuen Selbstbeurteilungsinstruments zur multidimensionalen Erfassung psychosozialer Gesundheit. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin, 17(03), 133-140.
Schmädeke, S., & Bischoff, C. (2015). Wirkungen smartphonegestützter psychosomatischer Rehabilitationsnachsorge (eATROS) bei depressiven Patienten. Verhaltenstherapie, 25(4), 277-286.
Schwarzer, R. (2008). Modeling health behavior change: How to predict and modify the adoption and maintenance of health behaviors. Applied psychology, 57(1), 1-29.